Work-Life-Balance? Nein Danke.
Alexander Schön: Immer wieder bin ich erstaunt, wie unbedenklich mit der Floskel »Work-Life-Balance« umgegangen wird. Der Begriff fordert, etwas auszubalancieren – also Dinge gegeneinander abzuwägen und aufzurechnen.
Ausbalancieren ist jedoch immer digital: welche Seite wiegt schwerer – also das eine ODER das andere. Selbst im Gleichgewicht gibt es kein verbindendes UND – es bleibt ein ODER. Insofern wäre der Begriff des »Work-Life-Blending« passender.
Doch auch da bleibt eine gewisse Gegensätzlichkeit. Das Begriffspaar Leben und Arbeit ist hingegen nicht konträr, es heißt nicht Arbeiten ODER Leben ... Nicht einmal Arbeit ODER Freizeit wäre passend, dazu gibt es zu viele Arten von Arbeit (Erwerbsarbeit in allen Facetten, Gemeinschaftsarbeit, Versorgungsarbeit, Eigenarbeit) und von Freizeit. Es geht um ein Miteinander, nicht um ein Nebeneinander – und schon gar nicht um ein Gegeneinander.
Für die, die sich diese »Work-Life-Balance« leisten können (und es gibt viele, die das nicht können), wird hier Arbeit gegen Leben ausgespielt. Der Begriff lädt so arglos zur Opferrolle ein: »Ich würde mein Leben eh gerne balanciert gestalten, aber die Arbeit lässt mich nicht.«
Die unreflektierte Übernahme des Begriffs ist also durchaus fragwürdig. Sehr leicht wird hier dem herkömmlichen und zu vereinfachten Bild von Arbeit das Wort geredet, das geprägt ist von überkommenen Vorstellungen von Arbeit und von Stereotypen, die auf diese Weise auch noch fortgeschrieben werden. Im Radio wird schon am Mittwoch gemeldet: »Nur mehr 2 Tage bis zum Wochenende« und am Sonntag Abend wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass Montagfrüh wieder eine mühevolle Arbeitswoche beginnt.
Der Begriff an sich bietet auch keinerlei Mehrwert – obwohl er vorgibt, einen Ausweg anzubieten, führt er mehr in das Dilemma hinein. Aus der Zukunft betrachtet ist er aber nur ein Übergangsbegriff. Er steht für ein letztes Aufbäumen, wissend, dass das Denken in diesen Kategorien nicht zukunftsfähig ist. Menschen wollen nicht frei von Arbeit, sondern frei bei der Arbeit sein – siehe auch die vorstehenden Ergebnisse der Management Agenda.
Die Frage muss also eher lauten:
Welche Balance bringe ich in mein Leben, damit ich es als ein gelungenes Leben bezeichnen kann? Und welchen Stellenwert hat (welche) Arbeit darin?
Es geht um Sinngebung und Wirksamkeit, und nicht darum, das eine gegen das andere auszuspielen.
Wenn gemeint ist, bewusst die Zeiten zu gestalten, in denen gearbeitet bzw. nicht gearbeitet wird, dann sollte man es sie auch so benennen, dann geht’s um »Work-Recreation-Blending«. Sonst reicht »Life-Management« vollends. Das ist schwer genug.