Neue Führung: Clemens Stieger im Interview

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Was bedeutet für ihn neue Führung? Wie will er mit der GfP an das Thema herangehen und wie kann er es Ihnen näher bringen? Von der Notwendigkeit der Anpassung der Führungsstile an die sich ändernden Anforderungen der Arbeitswelt.  

Vom Nachrennen jeder Modewelle und dem kritischen Hinterfragen der neuen Konzepte. Wie man sich die neuen Modelle zu Nutzen machen kann.

Was waren die grundsätzlichen Überlegungen eine Serie wie diese zu initiieren?

Aktuell wird sehr viel über neue Organisationsformen, Industrie 4.0, Generation Y etc. gesprochen und diskutiert. In diesem Zusammenhang kommt es auch immer wieder zu der Erkenntnis, dass sich auch Führung verändern muss.
Wie nun „Führung neu“, also der sich verändernde Führungsbedarf und das Führungsverständnis, genau aussehen soll, das ist noch nicht greifbar. Recht klar und beobachtbar ist, dass die Führung generell flacher und von MitarbeiterInnen zunehmend Augenhöhe und Einbindung gefordert wird.
Unser Ziel mit dieser Workshop-Reihe ist es nun den Fokus genau auf diese Anforderungen zu legen und herauszuarbeiten, was nun dieses „Neue“ sein kann.
Doch neu ist aber nicht automatisch gut oder besser – wir wollen daher die Ansätze und Konzepte kritisch hinterfragen und durchleuchten. Das Thema „Neue Führung“ ist noch sehr kryptisch und beginnt sich gerade zu kristallisieren. Otto Scharmer würde dazu sagen, es „emergiert“ gerade. Wir ahnen, dass diese Aspekte bereits in unserem Arbeitsalltag angekommen sind. Man muss diesem Thema aber ausreichend Raum geben und sich bewusst damit auseinandersetzen, um besser zu verstehen wohin es sich entwickeln wird. Daher bietet unsere neue Workshop Serie auch eine Auswahl von relevanten Führungskonzepten, die Wegweiser des Neuen sein können. Einige davon sind gar nicht so neu, aber noch weitgehend unbekannt. Die TeilnehmerInnen sollen sich intensiv mit der Materie auseinandersetzen können und den für sich relevanten und somit neuartigen Kern, gemeinsam mit uns und den anderen Teilnehmern, versuchen herauszuschälen.

Somit gibt es eigentlich kein „Neues Führen“ – also nur wieder alter Wein in neuen Schläuchen?

Ja und Nein! Die Rahmenbedingungen ändern sich einfach. Das gängige Akronym „VUKA“ (also „volatil“, „unsicher“, „komplex“ und „ambivalent“) zeigt das schon sehr klar. Dafür braucht man kein Hellseher zu sein. Die Kernleistungen des Führens wie „Richtung vorgeben“, „Entscheidungen treffen“ usw. bleiben ja bestehen, aber es bedarf neuer Wege, Ansätze und Konzepte, wie dies gelingen kann. Das Führen alleine über Anweisungen oder mittels „Geldkarotte“ wird in Zukunft nicht mehr so gut funktionieren. Was also dann?
Bestehende Führungsmodelle sind deswegen nicht falsch oder ungültig. Aber beispielsweise der zunehmende Trend zur Individualisierung bringt auch mit sich, dass die einzelnen MitarbeiterInnen anders behandelt werden wollen oder auch unterschiedliche Anforderungen an den eigenen Job stellen. Die Unternehmen und Mitarbeiter erwarten sich in Zukunft nicht nur mehr den „professionellen Manager“, sondern wollen auch den Menschen dahinter sehen und wahrnehmen. Auch Unternehmen verlangen raschere Umsetzung sowie höhere Qualität bei weniger Ressourcen. Führungskräfte müssen mit diesen Veränderungen umgehen lernen und entsprechende Kompetenzen dafür mitbringen.

Ganz konkret: Was ist aber nun der aktuelle und zukünftige Kern von Führung?

Eine simple Definition von Peter Drucker lautet: „A leader is someone who has followers “ - aus welchen Gründen dies auch passiert. Die Bedingungen, damit Leute folgen, ändern sich gerade. Aber auch die unternehmerischen Rahmenbedingungen unterliegen einem Wandel. Wo beispielsweise Agilität oder Innovation erforderlich ist, muss dies auch mit dem Handeln der Führungskräfte korrespondieren.
Konkreter: Führung ist eine Dienstleistung! Führung soll MitarbeiterInnen Orientierung geben, sie einbinden und sie so entwickeln, damit sie die entsprechende Leistung erbringen können. Die Führungskraft befindet sich immer in einem Dilemma zwischen dem Durchsetzen von Unternehmenszielen und dem Berücksichtigen der Bedürfnisse der MitarbeiterInnen. Die Zeiten von „Command & Control“ sind definitiv vorbei.

Was muss Führung aus Deiner Sicht leisten – und wie hat sich das Thema innerhalb der letzten zehn Jahren verändert?

Der Fokus war lange Zeit auf „Professionalisierung von Management“ gerichtet – also „die richtigen Dinge“ zu tun. Das hat zu einem sehr maschinellen Verständnis von Führung geführt – das reicht heute nicht mehr aus. Typische Managementtools wie MbO, TQM oder Balance Score Card usw. gepaart mit z.B. einem statusorientierten Führungsstil und einer klassischen „Vorgesetzenlogik“, wo der beste und erfahrenste Fachexperte zur Führungskraft aufsteigt, funktioniert aktuell nur mehr in „Schönwetterperioden“ oder in sehr stabilen Branchen. In „Schlechtwetterphasen“ oder Krisen braucht es Führungskräfte mit Führungskompetenz und nicht mehr nur Vorgesetzte. Jetzt ist „Leadership“ gefragt.

Was ist das immanente Element von Führung? Warum braucht es eigentlich Führung?

Das ist eine ganz zentrale Frage, auf die Führungskräfte oft selbst keine schnelle Antwort haben: Warum braucht es Führung? Wenn ich davon ausgehe, dass ich kompetente MitarbeiterInnen habe, brauche ich eigentlich keine Führung. Diese sollten doch eigentlich wissen, was sie tun. Doch die Aufsummierung von Experten schafft noch keine zielgerichtete Wirksamkeit aus Unternehmenssicht – obwohl jede/r Mitarbeiter voll beschäftigt ist. Es braucht vermehrt Sinn, Orientierung und gemeinsame Ausrichtung.
Aktuell brauchen wir also beides: mehr und gleichzeitig weniger Führung.

Aber was bedeutet das?

Es bedarf weniger Führung wie laufendes „Händchen halten“ des Mitarbeiters oder Micromanagement, dagegen braucht es an den neuralgischen Punkten viel mehr Leitung. Die Führungskraft muss sich in Zukunft mehr auf die Akkupunkturpunkte fokussieren, damit Ihre MitarbeiterInnen eigenständig mit-denken und mit-handeln können, nicht nur beschäftigt sind.
Die klassische Management-Haltung: „Der Mitarbeiter bekommt Geld – dafür kann ich auch Leistung erwarten“, wird in Zukunft so isoliert gesehen nicht mehr funktionieren – außer lediglich als „Schmerzensgeld“. Aus dem „Entweder-oder“ wird ein „Sowohl als auch“. Übersetzt bedeutet dies: Ich zahle und erwarte Leistung aber ich schaffe auch die Rahmenbedingungen für den Mitarbeiter in der er oder sie sich wohl fühlt, sich nützlich erlebt und vielleicht sogar auch Spaß bei der Arbeit hat.
„Leadership is the name of the game“ und hier funktioniert das klassische Verständnis eines Vorgesetzten gar nicht mehr. Die vorgestellten Konzepte aus der Reihe „Neue Führung?“ gehen genau in diese Richtung, legen die Lupe auf diese neuralgischen Punkte und versuchen Antworten zu geben.

Was braucht es damit Leadership funktioniert?

Die Frage ist eher „Wie entsteht Followership?“. Es bedarf andere Bilder für Führung und es braucht ein anderes Verständnis von Führung, sowohl auf MitarbeiterInnen- als auch auf der Führungskraftseite. Der Job der Führungskraft ist es einen Rahmen zu schaffen der Leistung möglich macht. Führungsmodelle, die Führung ganz abschaffen oder das Führungskonzept „Der Vorgesetzte als Coach“ lediglich als Schulterklopfen und Freundschaft verstehen, schaffen solche Rahmenbedingungen nicht. Bei neuer Führung geht es auch nicht um „nette“ oder weiche Führung. In Zukunft geht es definitiv um die Schaffung eines Rahmens, der viel Platz bieten aber stabil sein muss, um Sicherheit, Orientierung und das entsprechende Umfeld zu schaffen. So wird eigenverantwortliche Leistungserbringung möglich. Dies beinhaltet auch Regelwerke die schon vor 10 Jahren Ihre Gültigkeit hatten und in Zukunft weiter bestehen bleiben.

Wie entwickle ich nun diesen modernen Führungstypus?

Die eigenen Stärken sehen aber auch Schwächen erkennen und daraus Nutzen ziehen, ist kein falscher Ansatz. Es wird generell anspruchsvoller, weil auch die Führungskräfte persönlich mehr gefordert werden. Die Beziehungsfähigkeit gepaart mit Leadership ist sehr personenzentriert und darin verstecken sich auch einige Fallen.
Ein Konzept wie beispielsweise „fail fast, learn fast“ – kalkulierbare Verluste einplanen und dann mit den Learnings weitermachen, ist sicherlich ein erfolgsversprechender Ansatz. Damit ist natürlich auch eine entsprechende Fehler- und Lernkultur gefordert
Das Vertrauen in die Fähigkeiten der MitarbeiterInnen darf nicht unterschätzt werden. Aber last but not least auch Spaß an der Führungsarbeit zu entwickeln ist ein Schlüssel zum Erfolg.
Aber warum nicht auch mal über das Aufbrechen von Dogmen nachdenken, beispielsweise dass Führung auch nur eine temporäre Rolle darstellen könnte, nicht auf Ewigkeit...

Abschließend noch zwei Fragen: Für wen ist diese Serie vor allem gedacht?

Einerseits für Führungskräfte selbst, die sich mit diesen neuartigen Konzepten auseinandersetzen wollen. Anderseits sind auch PersonalentwicklerInnen, Verantwortliche für Führungsentwicklung und HR-LeiterInnen angesprochen, die Weichen für die Zukunft stellen wollen. Aber wir möchten auch Geschäftsführer einladen, die Führungsentwicklung als Hebel für die Gestaltung Ihrer Organisation sehen.

Macht es Sinn nur einzelne Module zu besuchen – und sollte der Teilnehmer alle Module besuchen?

Die Möglichkeit der einzelnen Buchung besteht – aber um den Einblick in das Neue zu bekommen, empfiehlt sich die Breite. Für diejenigen die alle Module besuchen, bieten wir als zusätzliches Zuckerl auch eine eigene, zusätzliche Veranstaltung, um das Gelernte für sich selbst auszuwerten und zu verdichten.

Das Ganze ist einfach mehr als die Summe Ihrer Teile!

 

 

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