Berlin. Org.

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Vorweg: Wir sind zwei Brüder, Clemens und Florian M. Stieger, und leiten zusammen das Familienunternehmen GfP in zweiter Generation. Kürzlich waren wir wieder mal in Berlin, aber das wollen wir jetzt nicht an die große Glocke hängen. Alle fahren nach Berlin. 

Wir, um Erfahrungen zum Thema Organisations-Entwicklung zu sammeln, Experimente zu machen, den State of the Art zu erfragen und zu hinterfragen. Und wer eine Reise tut, der kann was erzählen. Freude.
Um unsere Begeisterung rund um diese Reise zu verstehen, müssen wir etwas ausholen – rund 45 Jahre. So lange schon befasst sich die GfP mit dem Thema Personal- und Organisations-Entwicklung. Seit wir beide das Familienunternehmen von unserem Vater übernommen haben, zählen die Academy Seminare und Consultings – das sagen unsere Kunden – zum Smartesten, das in diesem Bereich angeboten wird. Ein lebendiger Proof of Concept sind unsere Funkensprung Coworking-Spaces, die als Vorreiter in diesem Bereich gelten dürfen. Hier entstehen Plattformen für Organisationen, die unterschiedlich ticken und deren Businessherzen dennoch neben- und miteinander im Takt schlagen. Was wir am eigenen Körper, mit unserem eigenen Unternehmen gelernt haben: Organisationsentwicklung ist keine rasant befahrbare Einbahnstraße, und auch kein Spaziergang. Sinnbildlich gesehen ist es eine Wanderung zu Fuß durch weite Täler und über hohe Berge. Mühsam? Wir würden es als lohnend bezeichnen – und dass wir öfters den sprichwörtlichen Schritt voraus lagen, zeigt ein Blick zurück.

Schrittmacher

Die GfP gibt es seit 1972. Dass wir bereits 1977 ein Seminar »Selbstentwicklung« veranstaltet haben, in dem es um die Verortung, Schärfung und Weiterentwicklung von Fähigkeiten innerhalb eines sozialen Gefüges ging, kann als bahnbrechend bezeichnet werden. Es war auch die GfP, die 1997 den ersten Open Space in Österreich veranstaltet hat – damals ein absolutes Novum: Jeder kann Themen einbringen; es wird nicht wie üblich »von oben« vorgegeben; Selbstverantwortung wird zur Maxime. Die GfP hat in dieser Zeit bereits Organisationsumbau und -entwicklung betrieben, während klassische Unternehmensberater noch im Personalabbau das Allheilmittel suchten.
Best Practice: So wurden von der GfP einige große Unternehmens-Transformationen abgewickelt, wie zum Beispiel bei einem Technologie-Unternehmen mit aktuell über 6.000 Mitarbeitern, wo statt einem Downsizing-Programm ein Visionsprozess mit dem Involvement der Mitarbeiter den Grundstein legte für den späteren Unternehmenserfolg und die Weltmarktführerschaft. Oder bei einem Ski-Hersteller, wo ebenfalls eine radikale Organisations-Umorientierung erfolgreich durchgeführt wurde.

Als zukunftsträchtig im wahrsten Sinne des Wortes erweist sich der Einstieg von Florian Stieger bei ONE, wo er 2002 das Konzept für ein Zukunftslabor, den ONE Smart Space, entwickelte. Statt sich den technischen Möglichkeiten der Mobiltelefone zu unterwerfen, wollte man mit einer »Test-Familie« von deren Bedürfnissen bei der Telefonie Rückschlüsse auf die benötigten Produkte und Services ziehen.
Best Practice: Dieser innovative Personas-Zugang mit realen Personen, die typische Anwender einer Zielgruppe repräsentieren, ist heutzutage als Design Thinking gängige Methode: sich zu überlegen, wie die Arbeit der Zukunft aussehen wird. Die technischen Entwicklungen sind die Reaktionen auf die Anforderungen der Nutzer und nicht umgekehrt, wo Nutzer nur das anwenden können, was die Technik vorgibt bzw. ermöglicht.
Und ein weiterer Meilenstein: Statt auf viele Mitarbeiter wurde früh auf ein kleines Kernteam und ein Budget für externe Spezialisten gesetzt. So wurde der ONE Smart Space das erste Startup-Netzwerk für technisch orientierte, in diesem Lifestyle agierende Jungunternehmen, die hier eine Business-Plattform gefunden haben.

Der Funke springt über

2004 gründet Florian Stieger Funkensprung Consulting mit der Kernfrage: Wie kommen die Innovationen in Organisationen als durchdachtes, kommerziell erfolgreiches Produkt zum Kunden? Schnell und auch schmerzlich musste man erkennen, dass es nicht an Ideen scheitert, auch nicht am Innovationsmanagementprozess. Es scheitert oft am Mindset der Menschen, die mit den neuen Ideen nicht umgehen wollen oder können. Als glückliche Fügung offenbarte es sich, dass 2006 die Firma GfP vom Vater an die nächste Generation weitergegeben wurde. So stand mit einem Mal auf der einen Seite die GfP mit dem Fokus auf das Lernen und Zusammenarbeiten von Menschen und auf der anderen Seite das Consulting und der Dienstleistungszugang von Funkensprung. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft...

War die Funkensprung Consulting noch in einem Coworking Space eingemietet, so eröffnete die neue Generation der GfP 2007 ihre ersten eigenen Spaces 01 im dritten Bezirk.
Begeistert und angesteckt von den Ansichten des amerikanischen Ökonomen Gary Hamel (u.a. »The Future of Management«, »Reinventing the Technology of Human Accomplishment«) nutzte Florian Stieger 2008 über die entstandenen Netzwerkkontakte eine einmalige Gelegenheit zu seiner ersten Silicon Valley »Suptertour« ins organisatorische Herz von Google. Dort fanden Hamels Ideen insofern Anklang, als man die Prozesse nicht mehr ins Management hinauf delegiert, von wo sie üblicherweise wieder sehr langsam retour kommen, sondern stattdessen eine Mittelschicht mit ambitionierten Mitarbeiten befugt, Prozesse selbst und eigenverantwortlich zu lösen. Konsequenz dieser Methode war die komplette Entfernung des mittleren Managements bei Google im Jahr 2006 – und den Besuchern konnte man 2008, nach zweijähriger Erfahrung mit diesem Organisationssystem, schon Einiges über die Auswirkungen auf das Unternehmen erzählen.
Best Practice: Mit diesen Ideen im Hintergrund betrieb die GfP von 2008 bis 2012 die Entwicklung und Umsetzung eines Visions- und Leitbildprozesses zu einer neuen Mitarbeiterstrategie bei einer großen Supermarktkette. Das Ziel, wie kriegt man von der Obstabteilung bis zur Kassa alle Mitarbeiter zu einem freundlichen Auftreten, wurde mit einer dualen Organisation erreicht, wo neben einer formalen Kommunikationsstruktur ein informelles Netzwerk an freiwilligen Mitarbeitern aufgebaut wurde, die unmittelbar mit den Kollegen Probleme aufspürten und Lösungen ohne hierarchische Hürden implementierten. So wurden Handlungsspielräume für die Mitarbeiter eröffnet, die sich für etwas verantwortlich fühlen konnten. »Kommerziell brachte uns das als Beratungsunternehmen nicht viel ein, weil wir die Aktion mit Minimalaufwand begleitet haben, aber vom Impact her war das sensationell, wie viel hier in kurzer Zeit bewegt werden konnte«, blickt Florian Stieger mit Stolz zurück.

Stufen

Mit der Uni Luzern ging es 2009 erneut zu einer Silicon Valley Tour, wo das »Ökosystem Innovation« eines der zentralen Themen der Lernreise war: Es ging um Voraussetzungen für Fundings, Einblicke in Führungsstile bzw. in den Aufbau der Firmen-DNA.
2010 kam es zur Übersiedelung der GfP aus einer Villa im 23. Bezirk in den Coworking Space im dritten Bezirk, um das Phänomen »Neues Arbeiten« auch firmenintern selbst zu leben. Im Zuge einer Berlinreise nahm Florian Stieger einige interessante Startups unter die Lupe und holte sich über IODA (International Organization Development Association) neueste Trends in Sachen Selbstorganisation anstelle der klassischen Hierarchien.
2011 wurde Spaces 02 eröffnet und auf Kundenseite ist es der GfP gelungen, bei und mit der OMV ein definitiv bahnbrechendes Entwicklungsprogramm für Young Potentials zu entwickeln und mehrere Jahre umzusetzen.
Best Practice: Mit dem Agile Seed Programm werden bei der OMV ausgewählte Potentials schon früh mit dem nötigen Skillset ausgestattet, um später agil und wirksam führen und sich gegen eingefahrene Führungsstile der alten Generation behaupten zu können. Eine Ölpreiskrise bedeutete nach mehreren erfolgreichen Jahren leider den jähen Stopp dieser Programme.
2012 wurde Spaces 03 eröffnet. Ebenso wie bei Spaces 02 handelte es sich dabei um eine interimistische Nutzung von freistehenden Immobilien. Ein drittes Coworking-Modell, neben der normalen und der Interims-Nutzung, entwickelte sich 2013 mit Spaces 04 in Form eines flexiblen Raumaufteilungs-Modells in Kooperation mit den AWG-Architekten: Je nach Projektauslastung der Architekten-Gemeinschaft werden die freistehenden Räumlichkeiten für Coworking genutzt. In diesem Jahr hat sich die GfP auch umfassend SCRUM-zertifziert, um bei agiler IT-Projektentwicklung am Stand der Dinge zu sein. 
2014 öffnete man mit Spaces 05 einen weiteren klassischen Coworking Space auf der Mariahilferstraße, der eine Mischung aus reifen Unternehmen, Startups und Einzelunternehmen verschiedener Branchen umfasst. Im Zuge einer weiteren Berlin-Reise wurde in Sachen neue Arbeitsformen geforscht. Die Erkenntnisse flossen umgehend in ein Projekt mit einer Arbeitnehmer-Interessensvertretung, bei dem Neue Führung in Zusammenhang mit dem Neuen Arbeiten im Fokus stand. 2016 folgte eine weitere Forschungsreise nach London und die GfP ließ sich in diesem Jahr Design Thinking zertifizieren. Im Mai 2017 stand dann erneut Berlin auf dem Programm, eine Lernreise vor dem Hintergrund neuester Trends in der Organisationsentwicklung.

Neue Organisationsformen – Teaser für Thesen

Neue Organisationsformen gibt es, seit es Organisationen gibt. Sie entstehen aus einer Notwendigkeit und Dringlichkeit und manchmal entwickelt sich ein Hype um sie. »Was ist möglich?« lautet die Fragestellung der Führungsetage, die beim mittleren Management als ein »Wie ist es möglich?« ankommt. Das stille Post-Spiel setzt sich fort, bis aus dem Fragezeichen ein Punkt oder ein Rufzeichen hinter »Das ist mein Beitrag« wird. Neue Organisationsformen, wie wir sie hier verstehen, sehen für alle Ebenen die gleichen Fragen vor, und keine Rufzeichen. Nie.

Ach, jetzt haben wir Ihnen noch immer nichts von den Erfahrungen und Erkenntnissen erzählt, die wir aus Berlin mitgebracht haben. Das Reisetagebuch liegt offen vor uns. »Berlin. Org.entwicklung« steht ganz oben und beinhaltet unter anderem unsere Thesen zu Neuen Organisationsformen als Essenz aus unseren Beobachtungen der letzten Zeit, verdichtet durch unsere Berlin-Reise.

Demnächst lesen wir Ihnen daraus vor. Auf diesem Kanal. Vorfreude.

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