Freude statt Glück. Wie neue Organisationen zur Mündigkeit drängen.
Die GfP hat sich der Forschung verschrieben, wie Organisationen im Allgemeinen und Personal im Speziellen lernen und sich entwickeln – und wie sie das mit Freude tun können.
Die Erkenntnisse haben wir zu einigen Thesen in Zusammenhang mit Neuen Organisationsformen verdichtet. An dieser Stelle präsentieren wir drei daraus, weitere folgen.
Von Thomas Weidinger
These #1: Unternehmen müssen auf die FREUDE achten.
Freude manifestiert sich im Lächeln der Gesichter auf den Gängen und hat mit tiefer Zufriedenheit zu tun. Dabei geht es nicht um das Spaßige, Lustige und Laute, sondern um ein Gefühl der Sattheit im positiven Sinn - als Folge der Auseinandersetzung mit einer fordernden Tätigkeit oder nach einer erfüllten Aufgabe, vergleichbar mit den Sinnesempfindungen während einer bewegenden Wanderung oder nach dem Erklimmen eines Berges.
Es geht um sehr viel, wenn es um die Freude an und bei der Arbeit geht. Wenn alles strenger wird und die Schalter auf »work harder« gelegt sind, müssen die Unternehmen ebenso wie die Mitarbeiter nach Freiräumen Ausschau halten. Sie dürfen das Begriffspaar Leben und Arbeit nicht zu Konkurrenten werden lassen, das eine nicht gegen das andere abwägen – wie das so unreflektiert in der Floskel »Work-Life-Balance« gemacht wird. Es kann und soll nicht heißen: Arbeiten ODER Leben ... dazu gibt es zu viele Arten von Arbeit und von Freizeit. Miteinander lautet die Devise, nicht Nebeneinander, und schon gar nicht Gegeneinander.
These #2: Die MÜNDIGKEIT als Voraussetzung für neue Organisationsformen.
Zu Recht ist das Interesse und die Begeisterung für neue Organisationsformen groß, doch es gibt unserer Meinung nach eine kleine Grundvoraussetzung für das Funktionieren: Jede Person innerhalb dieses Schemas muss sich als »ganze Person« zeigen – als Führungskraft und als Mitarbeiter. Die neuen Organisationen haben eine hohe Anforderung an Prozessorientierung, an Selbstorganisation an Konfliktfähigkeit und Resilienz. Vor allem aber braucht es eine »360-Grad-Veranwortlichkeit«: An die Stelle des vorwiegenden Zuteilens von Aufgaben und dem an- und abschließenden Urteil, ob die Arbeit gut war oder nicht, soll der permanente und endlose Blick über den eigenen Tellerrand kommen.
Die Mündigkeit besteht darin, zu erkennen, was das Unternehmen braucht, um entlang der gesamten Wertschöpfungskette auf hohem Level zu performen, um letztendlich die Kunden glücklich zu machen und allen, insbesondere sich selbst, eine Freude zu machen. Und um diese Mündigkeit zu erlernen, brauchen die Organisationen und die Mitarbeiter hier eine professionelle Unterstützung im Umgang mit Konflikten, der Inanspruchnahme von Freiräumen und all den Anforderungen einer Persönlichkeitsentwicklung.
These #3: Nicht 100 Prozent, 38 PROZENT reichen auch.
Viele der aktuellen, sagen wir ruhig »alten« Organisationswelten haben die »Langfristigkeit« zum Credo erhoben. Von den Strategien und Zielen, den Budgets und der Marktentwicklung bis hin zur Personalplanung liegt der Anspruch im besten Fall bei 100 Prozent: alles muss klar und bis ins Letzte durchdacht sein. Allerdings ist die Zeit zwischen Überraschungen kleiner als die Zeit zwischen Entscheidungen. Wenn Unternehmen langfristig planen und noch länger für die Umsetzung benötigen, werden sie von der Wirklichkeit überrascht und haben kaum Flexibilität, um schnell und zeitgerecht zu reagieren, weil zuerst wieder ... lang analysiert und geplant werden muss.
Hier bieten neue Modelle aus der Produktentwicklung – insbesondere SCRUM aus der IT-Entwicklung – umsetzungsorientierte Lösungen. Neue Organisationsformen können und müssen keinen Sturm mit 100 Prozent planen und durchführen sondern sollen mit 38 Prozent, also etwas mehr als einem Drittel, ein regelrechtes Gedränge (englisch: Scrum) verursachen.
Anstelle eines »Mega-Pflichtenheftes« wird über schnelles Prototyping in einem »Effectuation«-Ansatz in kleinen Teilschritten bereits agil realisiert und angepasst. Basierend auf einem hohen Involvement von realen Kundenbedürfnissen geht es darum, etwas in so genannten »Sprints« mit hoher Eigenverantwortlichkeit der Teammitglieder schnell umzusetzen, um zu sehen und zu verstehen, was passt und was nicht.
Wie schon oben gesagt: Das Ziel besteht nicht darin, zu 100 Prozent glücklich zu sein, weil das in der realen Komplexität und Ungewissheit gar nicht möglich ist. Das Ziel ist Freude. Nach jedem kleinen Schritt, immer und immer wieder.
Paulo Coelho beschreibt das in seinem Buch »Die Hexe von Portobello« so:
»Mein Leben lang habe ich versucht, glücklich zu sein – jetzt will ich nur noch Freude empfinden. Freude ist wie Sex – sie beginnt und endet.«