Sorry, eine Frage noch…
#Beratungssplitter Nr. 11
»Wo genau waren die Führungskräfte?« In Columbo-Manier stellen wir diese Frage im aktuellen Corona-Organisations-Lethargie-Fall. Könnten Sie uns den Durchsuchungsbefehl bitte beizeiten nachbringen.
Von Alexander Schön
Noch werden die Symptome den Individuen zugeschrieben, aber sie zeigen schon ihre Wirkung in den Organisationen: eine allgemeine Erschöpfung, wenig sozialer Kontakt unter den Mitarbeiter*innen, ein Sinn-Verlust, Entfremdung, eine vielschichtig empfundene Überlastung … Mit weit(er) reichenden Konsequenzen, als es den Organisationen gerade bewusst ist. »Gefahr in Verzug« sagt des Inspektors Spürnase und die Führungsetagen tun gut daran, jetzt zu handeln, bevor ihnen eine »Mitwisserschaft« oder gar »vorsätzliches Handeln« unterstellt werden kann.
Erfolgreiche und kompetente Mitarbeiter*innen werden nicht abgeholt und sind schon in Lauerstellung für attraktive neue Angebote, kaum energie-ausstrahlende Führungskräfte … und keine Aussicht auf Besserung. Genügend Indizien, ein bisschen in Organisationen hinein zu fragen und die Rolle der Führungskräfte zu hinterfragen.
Hausdurchsuchung ohne Durchsuchungsbefehl?
Klar. Während die auf den Durchsuchungsbefehl warten, fangen wir schon mal an, einen CEO zur Rolle der Führung zu befragen…
Entschuldigen Sie, Sir, wir hätten da noch eine letzte Frage: Wo waren eigentlich Ihre Führungskräfte im letzten Jahr? Irgendwie waren sie kaum sichtbar, untergetaucht und gefangen im Dilemma der persönlichen Positionierung zwischen Kontrolle und Vertrauen.
Glauben Sie, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen den Erschöpfungserscheinungen der Mitarbeiter*innen und dem Nicht-Führen Ihrer Führungskräfte? Nicht dass sie nicht geführt hätten, aber wohin haben sie geführt?
Aber ich versteh schon … Tagesgeschäft, Sparmaßnahmen, Kurzarbeit, Umsätze aufholen etc., da bleibt wenig Zeit für eine Bestandaufnahme der Führungsexzellenz.
Und noch etwas ist mir aufgefallen…
Kaum einer Ihrer Führungskräfte hat Unterstützung im besagten Zeitraum in Anspruch genommen. Beispielsweise in Form von externem Sparring, Coaching, Beratung, kollegialem Austausch oder ähnlichem. Es muss ja nicht gleich Lernen sein. Ich versteh schon, Ihre Leute sind erfahrene Führungskräfte und vorhin meinten Sie, die Führungskräfte wüssten schon alles über Führung.
Aber was ist, wenn das alles nur Blendwerk ist? Wenn das, was sie immer schon gemacht haben, plötzlich eine kontraproduktive Wirkung zeigt? Wenn ihre Führungstheorien den Praxistest nicht mehr bestehen? Wenn ihre Menschenbilder tiefer ins Problem hineinführen als heraus? Wenn sie sich in der Unentschiedenheit ihrer strukturellen Sandwich-Position verlieren? Was, wenn sie einfach überfordert waren mit diesen so neuen und unerwarteten Situationen?
Es wäre doch ein leichtes, sich regelmäßig ein paar Stunden Auszeit zu gönnen, um den eigenen Führungskompass neu zu kalibrieren. Das versteh ich nicht, Sir. Haben Sie da eine Erklärung dafür? Hmm. Fragen über Fragen.
Aber ich möchte noch einmal auf die eingangs gestellte Frage zurückkommen: Wo waren Ihre Führungskräfte? Und vor allem, Sir: Wo waren Sie?
Tags: Führung Corona-Lethargie