Föderalismus – ein kurzes Plädoyer für eine nach wie vor aktuelle Organisationsidee

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#Beratungssplitter Nr. 15
Zentral oder dezentral – das ist die Frage!

Von Alexander Schön

Im Zuge der Begleitung einiger Strategieentwicklungs-Prozesse bin ich wieder auf ein Thema gestoßen, das eigentlich immer ein wenig unscheinbar geblieben ist, obwohl es durchaus mehr Aufmerksamkeit verdiente: die föderale Organisation.

Der Föderalismus ist zuletzt ein bisschen in den Verruf geraten. So richtig propagiert hat ihn ohnehin kaum jemand. Politisch ist er festgefahren, die Diskussionen, die (oftmals faulen – weil nicht zu Ende gedachten) Kompromisse, die Erklärungen und Rechtfertigungen strapazieren die föderal aufgebaute Demokratie gewaltig. Und wohin das führt, war ja gut sichtbar in den Auseinandersetzungen des Bundes mit den Ländern.

Doch nicht nur in der Politik, auch in Organisation geht es oftmals um die – immer wieder in Wellen hereinbrechende – Diskussion ‚zentral versus dezentral‘. Mir fällt da immer der Cartoon vom Tauziehen zweier Esel ein – beide mit einer zu kurzen Leine verbunden, um an das Futter im eigenen Stall zu kommen. Und zieht jeder mit aller Kraft in seine Ecke …

Warum der Föderalismus ein eher unscheinbares Dasein fristet, liegt wohl am ehesten in der inkonsequenten Umsetzung einer dem Konzept inhärenten Grundsätze. Der föderalistische Grundgedanke hätte allerdings auch mehr als Berechtigung in der Organisationsgestaltung. Zumindest, wenn die Idee der föderalen Organisation, die Charles Handy schon in den 90er-Jahren propagiert hat, konsequent umgesetzt würde.

Sie basiert auf der Grundlage, dass keine wertschöpfenden Tätigkeiten in der zentralen Einheit stattfinden. Allerdings ist sie – basierend auf dem Grundsatz der reverse delegation – für die Sinnstiftung, die gemeinsamen Werte, die Ausrichtung und Vision bis hin zum Performance- und Risiko-Management zuständig. Sie erfordert ein paar wesentliche Prinzipien, nämlich

  • Subsidiarität – Verantwortung so nahe an der Aktion wie möglichthought catalog 9aOswReDKPo unsplash230X200
  • Organisationszugehörigkeit – maximal zwei
    (man gehört sowohl zur kleinen Einheit als auch zum Ganzen und fühlt sich beiden verbunden, anstatt verloren in der Matrix herumzuirren)
  • Verantwortungsübernahme analog der Gewaltentrennung (Legislative, Exekutive, Judikative)
  • Gemeinsame Gesetze, Corporate Identity, Branding und eine gemeinsame Währung

Die föderale Organisation ist weniger eine Organisationsstruktur als vielmehr ein Mindset und ein Denkrahmen – völlig unabhängig, ob man in Kreisen oder wie immer gearteten Liniensystemen organisiert ist.

Eine Umsetzung scheitert am ehesten am Bedürfnis zentraler Einheiten, »durchzuregieren« oder an der Angst, Kontrolle – und damit Macht – zu verlieren. Sie funktioniert nicht gut mit einem Führungsverständnis, das auf Kontrolle ausgerichtet ist, taugt nicht bei Verweigerung von Verantwortungsübernahme und passt nicht zu einem defizit-orientierten Menschenbild und einer Misstrauenskultur.

Aber sie ist komplexitätstauglich, geht gut mit Hierarchie, geht gut mit Autonomie- und Selbstorganisationskonzepten, geht gut mit agilen Ansätzen, geht gut mit modernen Strategieumsetzungsmethoden wie bspw. Objectives & Key Results (OKR), geht gut mit einer Kultur, die auf Feedback, Lernen und Partnerschaftlichkeit setzt.
Oder wie sagt eine geschätzte Kollegin an dieser Stelle immer so trefflich: »Wenn nichts mehr funktioniert, probier’s mal mit Vertrauen.«

 

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