Wir verhandeln – verhandeln wir wirklich?

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#Beratungssplitter Nr. 26

Wir wollen etwas erreichen - die anderen jedoch auch… Und eines steht immer auf dem Spiel: die Beziehungsqualität.

Von Eduard Hacker

Wir schreiben das Jahr 2010, unser Jüngster ist 17, sehr guter Schüler, Musiker und arbeitet bei einer Lokalzeitung im Bereich »Sport und Gesellschaft«.

Heute besucht er den Burgball, einen der gesellschaftlichen Höhepunkte unserer 45.000-Seelen-Stadt – als Ballgast und als Reporter. Da am nächsten Tag Schularbeit ist, haben wir vereinbart, dass er um Mitternacht den Ball verlässt und nach Hause kommt.marcel strauss ygPp6noGQiA unsplash230x200

Um 0:15 ruft er an, er hat den Ball bereits verlassen, geht aber noch in die Redaktion, um den Ballbericht zu schreiben und die Fotos für die Zeitung aufzubereiten, dann geht sich das noch für die übermorgen erscheinende aktuelle Ausgabe aus und fragt, ob das eh ok ist. Ich zögere mit dem »bedingungslosen JA« und frage nach der geschätzten – neuen – geplanten Ankunftszeit zu Hause.

Als ich ein »circa 2 Uhr« als Antwort bekomme, werde ich streng und beordere ihn »sofort und auf der Stelle« nach Hause, widrigenfalls . . . .

Seine ruhige Frage: »Gibt es denn gar keinen Spielraum?« holt mir blitzartig die Autoren Fisher/Ury/Patton und deren Harvard-Verhandlungskonzept ins Bewusstsein, wir verhandeln 3 Minuten, einigen uns auf 1:30 und fallen einander freudig und erleichtert um den Hals, als er um 1:15 müde, aber glücklich und zufrieden zu Hause ankommt.

Wir leben in Partnerschaften, Familien, Gruppen, Organisationen, kurzum: in einer Fülle von Beziehungen.

Wir haben unser Bild der Welt, was richtig ist und was falsch, was uns zusteht und wofür wir bereit sind, zu kämpfen.

Das haben unsere Beziehungspartner*innen auch und nur selten sind unsere Bilder deckungsgleich. Also verhandeln wir – aber: verhandeln wir wirklich?

Was eine Verhandlung unter anderem kennzeichnet, sind der Verhandlungsspielraum, die Fähigkeit, wirklich zuzuhören und das Interesse, die Verhandlungspartner*innen mit ihren Bedürfnissen und Interessen wirklich zu verstehen.

Allzu oft erlebe ich sogenannte Verhandlungen, in die alle Verhandlungspartner*innen mit klaren Zielen in die sog. Verhandlung starten. Das ist ja gut und notwendig als Orientierungshilfe, allerdings halt nur EINE Voraussetzung für eine Verhandlung. Was dann häufig passiert: alle Verhandlungspartner*innen schalten ausschließlich auf SENDEN, lassen die Verhandlungspartner*innen zwar zu Wort kommen, hören aber nicht wirklich zu, sondern wiederholen ihr Eingangsstatement, ihre Forderung und schalten nach mehreren Runden, in denen sich nichts bewegt hat, auf Eskalation. Da wird dann gedroht, vorgeworfen, der/die jeweils andere sei unbeweglich und der Druck wir erhöht.

Das Einzige, was sich dadurch verändert, ist die Stimmung und die Beziehungsqualität leidet.

Es geht besser: »Hart in der Sache« ist ja ok, zur Person allerdings bitte respektvoll, wertschätzend und empathisch. Der Aufwand lohnt sich, wir erreichen dann üblicherweise in weniger Zeit ein qualitativ besseres (= interessensausgleichendes, faires, realistisches) Ergebnis, das auch hält.

Sach- und menschenorientiert verhandeln kann man / frau lernen. z.B. bei uns ;-)

 

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