»Ja« sagen, bis man »Nein« sagen muss

#Beratungssplitter Nr. 31
Von Clemens Stieger

Im Coaching von Führungskräften ist es ein Dauerthema: Wie kann ich besser »nein« sagen?
Es ist eine zentrale Führungsaufgabe, Entscheidungen zu treffen und damit auch »nein« zu sagen. So wie es in der Erziehung wichtig ist, als Eltern klare Grenzen aufzuzeigen, damit sich die Kinder daran orientierten können. Jedoch ist es oftmals leichter, einfach »ja« zu sagen, weil es vom Gegenüber die erwünschte Antwort ist. Führungskräfte sehen sich dann als schwach oder auch weniger kompetent, wenn sie sich mit dem Nein sagen schwertun.
Mein Eindruck ist, dass die meisten Menschen dazu neigen, von Natur aus gute »Ja-« oder »Nein-Sager*innen« zu sein. Nur wenige Menschen scheinen beides gut zu können. Wie meistens im Leben hat beides seine Vor- und Nachteile.

Personen, die Schwierigkeiten haben, »nein« zu sagen, werden als freundlich, gefällig und nahbar erlebt. Sie kommen leicht in Kontakt, bekommen Angebote und werden eingebunden. Aber weil sie das, was ihnen nicht wichtig ist, nicht ausblenden können und sie andere nicht enttäuschen wollen, fühlen sie sich oft fremdgesteuert, überlastet und ausgenutzt.

Menschen, die Schwierigkeiten haben, »ja« zu sagen, werden von anderen als widerspenstig und selbstbewusst gesehen. Sie sind kritisch, haben eine eigene Meinung, sprechen Fehler frühzeitig an und gehen ihren Weg. Aber weil es schwerer ist, mit ihnen in Kontakt zu kommen und sie sich schwertun, völlig zu vertrauen, sind sie eher isoliert und auch mehr alleine.

Wenn Sie nicht »nein« sagen können, haben Sie viele kurzfristige Möglichkeiten, aber auf lange Sicht erschöpft Sie es allmählich. Wenn Sie nicht »ja« sagen können, werden die meisten kurzfristigen Gelegenheiten eliminiert, aber es zahlt sich gelegentlich aus, indem Sie etwas entdecken, das alle anderen verpasst haben.
Das entscheidende ist also zu wissen, wann man das eine und wann das andere sagt.

Und dafür gibt es eine Empfehlung: Das Prinzip »So lange »Ja« sagen, bis man »Nein« sagen muss.« In einer neuen Situation oder wenn es darum geht, etwas aufzubauen und zu entdecken, ist es klug, alles zu nutzen, was sich gerade auftut. Also sagen Sie (zu allem) »ja« - auch zu Dingen, die irgendwie dumm, sinnlos, seltsam oder unbequem erscheinen. Sagen Sie »ja« und tun Sie es! Denn man weiß nie, welche Türen sich dadurch öffnen.

Wenn sich dann immer mehr Varianten und Wege auftun, kommen Sie früher oder später an einen Punkt, an dem Sie mehr Möglichkeiten haben, als Sie brauchen. Dies der Moment, an dem Sie beginnen sollten, strategisch »nein« zu sagen. Wenn Sie »nein« sagen, können Sie sich auf die Chancen konzentrieren, die den größten Vorteil bieten, und Sie kommen noch schneller weiter.
Wenn es darum geht, etwas zu öffnen, anzuregen oder zu ermöglichen, ist ein »Ja« hilfreich. Wollen Sie etwas reduzieren und fokussieren, dann ist ein »Nein« wichtig.

Im privaten Bereich ist es auch nicht anders: Wenn Sie in eine neue Stadt ziehen und Freunde finden möchten, ist es sinnvoll, zu allem »ja« zu sagen - bis Sie so beliebt sind, dass Sie Einladungen getrost ablehnen können. Wenn Sie Single sind und eine Beziehung finden möchten, sagen Sie »ja« zu jedem Kontakt, bis Sie Leute finden, die Sie genug mögen und Sie selektiv werden können – und »nein« sagen.
Wollen Sie herausfinden, worin Sie gut sind oder was Sie gerne tun? Sagen Sie zu allem »ja«, bis Sie gezwungen sind, »nein« zu sagen. Am Ende bleibt Ihnen das, was Ihnen am wichtigsten ist.

 

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