Kurzsichtigkeit – nicht nur ein medizinisches Problem

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Beratungssplitter Nr. 53
Für Kurzsichtigkeit gibt es beim Optiker ausgezeichnete Sehhilfen – aber wieso wird so wenig gegen strategische Kurzsichtigkeit in Unternehmen getan?

Von Reinhard Bacher

Am Dienstag las ich in der Tageszeitung „Der Standard“ ein Interview mit Österreichs Wissenschafter des Jahres 2021, dem Komplexitätsforscher Peter Klimek. Dabei führte er unter anderem in Bezug auf die fehlende Verfügbarkeit von steuerungsrelevanten Daten aus: „Das grundsätzliche Problem scheint mir, dass in Österreich sehr kurzfristig und daher kurzsichtig gedacht wird. Die Daten zur Schwere der Verläufe bei Omikron bräuchten wir jetzt, haben sie aber nicht. In ein paar Wochen brauchen wir sie dann nicht mehr. Doch dann unternimmt man auch nichts mehr, um das Problem für die nächste Welle zu beheben, damit man wenigstens in Zukunft evidenzbasierte Entscheidungen treffen kann. In Österreich fehlt einfach ein nachhaltigeres Pandemiemanagement“. thiago carlos machado oNXGsD7Ibsk unsplash 2

Am Nachmittag traf ich dann einen Manager in einem großen Unternehmen. Er erzählte mir von einem Meeting mit dem Vorstand, in dem er monierte, dass derzeit COVID alles Handeln bestimmt und es im Unternehmen keine mittel- bis langfristige Orientierung und keine diesbezüglichen strategischen Entscheidungen gibt. Da kam mir sofort das Klimek-Interview in den Sinn – in Österreich wird nur sehr kurzfristig und daher kurzsichtig gedacht. Vor allem diese Kausalität ist wichtig, zu beachten: Kurzsichtigkeit ist eine Folge von kurzfristiger Orientierung.

Im letzten Beratungssplitter vor Weihnachten (Nr. 52) habe ich schon ausgeführt, wie wichtig Zukunftsmanagement aus unserer Sicht ist – und immer mehr Unternehmen erkennen das auch. Unlängst las ich, dass immer mehr Unternehmen Science-Fiction-Autor*innen einstellen, um kreative Anregungen für die Zukunft zu erhalten. Das finde ich einen tollen Ansatz, ich bin schon gespannt, ob diese Freigeister dann auch tatsächlich Gehör im Unternehmen bekommen. Oft genug haben wir in Unternehmen, die wir begleiten durften, erlebt, dass dort geniale und ausgezeichnet vernetzte Trendscouts im Einsatz waren, zwischen den Trendscouts und den Entscheidungsträger*innen aber eine für die Gedanken und Ansätze fast undurchlässige Lehmschicht war. Somit wurden diese Gedanken meist gar nicht wahrgenommen. Wenn sie durch die Lehmschicht durchgekommen sind, wurden sie sofort falsifiziert statt aufgegriffen.

Ich bin überzeugt, dass sich in der Zukunft erfolgreiche Unternehmen von weniger oder nicht erfolgreichen Unternehmen dadurch unterscheiden werden, dass sie weitsichtiger sind. Das ist aber vorrangig nicht eine Frage der Kompetenzen der Mitarbeiter*innen, der Prozesse und der Methoden – das ist alles wichtig und notwendig, aber nicht vorrangig. Vorrangig ist die Einstellung in der obersten Managementebene, bei Vorständen und Eigentümer*innen. Wenn dort Weitsicht verlangt und vorgelebt wird, richtet sich alles andere danach aus.

Übrigens sind das keine neuen Gedanken. Schon in den 90-er-Jahren haben Gary Hamel und Carl Prahalad in ihrem lesenswerten Buch Wettlauf um die Zukunft darauf hingewiesen, dass wir nicht den Fehler machen sollten, von heute nach vorne zu planen, sondern besser von der Zukunft zurück. Der Zukunftsforscher Matthias Horx wirbt mit seinem neuen Kunstwort Regnose auch für diesen Ansatz, wir beamen auch schon seit Jahren erfolgreich Organisationen in die Zukunft und blicken von dort zurück. Und auch Geoffrey Moore hat vor 15 Jahren mit seinen Three Horizons auf die Notwendigkeit von Zukunftsorientierung als Überlebensnotwendigkeit für Unternehmen hingewiesen.

Wie schon im letzten Beratungssplitter erwähnt beschäftigen wir in der GfP uns in unserem derzeitigen Lernzyklus bewusst und intensiv mit Zukunftsthemen. Wir werden daraus mögliche Wetten für die Zukunft für uns und unsere Kunden ableiten. Wenn Sie Lust und die erforderliche Aufmerksamkeit dafür haben, gestalten wir gerne mit Ihnen gemeinsam Ihre Zukunft, und sorgen dafür, dass Sie früher dort ankommen!

 

 

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