Übergang meistern / Interview mit Leopold Stieger
Wenn Pensionisten wieder arbeiten gehen, liegt das meist nicht an ökonomischen, sondern sozialen Gründen.
Viele fühlen sich noch fit genug, um weiterzuarbeiten wollen ihre Zeit gut nutzen.
Prof. Dr. Leopold Stieger, Gründer der GfP und der Plattform Seniors4Success, hat in diesem Interview die wichtigsten Fragen rund um das Thema Arbeiten vor und nach der Pensionierung beantwortet.
GfP: Warum ist es wichtig sich rechtzeitig mit diesem Thema auseinanderzusetzen?
Prof. Dr. Leopold Stieger: Das Thema wird gesellschaftlich immer relevanter, was man bereits an der demografischen Entwicklung sehen kann. Unsere Lebensphasen waren bis jetzt gedrittelt in Ausbildung, Arbeit und die Ruhephase (Pension). Heutzutage ist die Lebenserwartung allerdings höher und die restliche Zeit in der »Ruhephase« beträgt manchmal bis zu 20 Jahre, von denen bis zu 10 Jahre noch von Vitalität geprägt sind. Deshalb haben sich diese 3 Lebensphasen relativ unbemerkt in 4 verwandelt. Wobei der vierte Abschnitt zur Ruhephase wird (meist erst zwischen 70 und 80) und die dritte Phase noch gut als Arbeitszeit genutzt werden könnte. Ein Pensionsantritt zwischen 58 und 65 ist heutzutage meistens viel zu früh und führt dazu, dass betroffene Menschen oftmals in ein Loch stürzen. Die meisten Menschen sehen diese Verschiebungen von drei zu vier Phasen nicht. Sie freuen sich auf die Pensionierung als wäre es der Himmel und können dann nur schwer zugeben, dass sie mit dem ewigen Urlaub wenig anfangen können und doch noch Motivation und Kraft hätten weiterzuarbeiten.
GfP: Woran scheitert es dann schließlich, dass viele trotzdem nicht in der Arbeitswelt bleiben bzw. wiedereinsteigen?
Leopold Stieger: Als älterer Mitarbeiter/ ältere Mitarbeiterin muss man dem Unternehmen genau zeigen, wo und wie man ihm nützlich sein kann. Ältere Menschen leiden oftmals unter einem verminderten Selbstwertgefühl hinsichtlich der Arbeit, vor allem wenn sie sich mit jüngeren KollegInnen vergleichen. Genau an dieser Stelle sind Seminare wie »Perspektive 50+« und »Den Übergang meistern« sehr wertvoll und wirksam. Man macht eine Standortbestimmung, entdeckt seine Kompetenzen und Fähigkeiten wieder, die man als älterer Mensch schnell aus dem Blick verliert und sieht wo man sie gewinnbringend einsetzen oder mit einer Weiterbildung verbessern kann.
Ein weiterer kritischer Punkt sind sicherlich auch die Entlohnungsmodelle für SeniorInnen in Österreich, die zur Verringerung der Beschäftigten beiträgt.
GfP: Wie kann man MitarbeiterInnen davon überzeugen länger im Arbeitsprozess zu bleiben?
Leopold Stieger: Das Wichtigste ist es, bei diesem Übergang eine »Vision« zu entwickeln. D.h. ein gestecktes Ziel vor Augen zu haben und genau zu wissen, wie man dieses erreichen kann. Das motiviert ungemein und gibt eine Begründung weiterarbeiten zu wollen. Sich entsprechend auf diese Vision vorzubereiten bzw. darauf hinzuarbeiten ist nicht einfach, deshalb ist anfangs Hilfe von außen notwendig. Studien beweisen, dass Menschen die bis ins hohe Alter aktiv sind, und vor allem diejenigen die eine Vision haben, auch eine längere Lebenserwartung haben. Die »Vision« ist somit der Dreh- und Angelpunkt. Allerdings müssen Arbeitsanforderungen, die an einen vollzeitbeschäftigten Mann im Haupterwerbsalter ausgerichtet sind, natürlich auch abgeändert bzw. angepasst werden. Flexible Arbeitsplätze, laufende Weiterbildungen und gesundheitsfördernde Maßnahmen am Arbeitsplatz sind dabei wichtige Punkte. Vor allem sollten Unternehmen Modelle finden, in denen Pensionisten angemessen entlohnt werden, damit sie sich mit ihrem Wissen und Können geschätzt fühlen und nicht unterbezahlt sind. Ansonsten würde die Motivation sofort wieder sinken.
GfP: Wie schafft man es, dass die Arbeitsleistung einer Person in den letzten Jahren nicht abnimmt?
Leopold Stieger: Es gibt im Endeffekt drei Möglichkeiten mit der anstehenden Pensionierung umzugehen:
1.) Man macht weiter wie bisher und wird dann ohne Übergang einfach pensioniert, was in einem ziemlichen Schock enden kann.
2.) Man bereitet sich mental auf die Pensionierung vor, wobei die Produktivität langsam abnimmt.
3.) Oder man nutzt die Jahre vor der Pensionierung eben für das Entwickeln eines Chancenmanagements, wo man seine ganz spezifischen Talente erkennt. Im letzten Fall wird die Produktivität nicht nachlassen, was natürlich auch im Interesse des Unternehmens steht.
GfP: Wo liegen die Unterschiede zwischen den Seminaren »Perspektive 50+« und »Den Übergang meistern« und was genau lernen die TeilnehmerInnen?
Leopold Stieger: Eigentlich ist der Zugang sehr ähnlich, nur die Zielgruppe ist unterschiedlich. Beim Seminar »Perspektive 50+« nehmen Personen teil, die 3-10 Jahre vor der Pensionierung stehen und beim Seminar »Den Übergang meistern«, sind die TeilnehmerInnen 1-3 Jahre vor der Pension. Der erste Punkt den man in den Seminaren lernt, ist selbst aktiv zu werden und nicht darauf zu warten, dass das jemand anderes für einen übernimmt.
Diejenigen die sich durch Literatur, Coachings und Seminare auf die Zeit nach der Pensionierung vorbereiten, sind hier klar im Vorteil. Man lernt konsequent die Verantwortung für die Gestaltung des neuen Lebensabschnittes zu übernehmen und seine spezifischen Talente zu erkennen.
GfP: Wo sehen Sie die konkreten Vorteile für die Unternehmen, die ältere MitarbeiterInnen beschäftigen?
Leopold Stieger: Dem Fachkräftemangel, mit dem viele Unternehmen zu kämpfen haben, kann mit der Beschäftigung älterer MitarbeiterInnen sehr gut entgegengewirkt werden. Auch in Sachen Sozialkompetenz haben die älteren den jüngeren KollegInnen einiges voraus. Unternehmen welche die Potenziale älterer MitarbeiterInnen erkennen, angemessene Herausforderungen schaffen (v.a. lebenslanges Lernen fördern) und den Übergang unterstützen, sichern sich damit langfristig einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor.