GfP Small Talk: »Fehlerkultur in Organisationen«
Willkommen bei unserem neuen crossmedialen Format: »GfP Small Talks«, das sind 30 Minuten Diskussion auf 5 Minuten komprimiert – als Facebook-Video und als Blog zum Nachlesen.
»GfP Small Talks« – WAS? WER? WIE? WARUM?
In unregelmäßigen Abständen setzt sich das GfP-Kommunikationsteam mit GfP-Trainern und Beratern an einem runden Tisch zusammen, um über ein vorgegebenes Thema nicht länger als 30 Minuten locker zu diskutieren.
Die Teilnehmer erhalten das Thema und drei Minuten Zeit, sich ein Eingangsstatement zu überlegen. Dann präsentieren sie ihre Standpunkte und danach wird diskutiert.
Wir wollen – nicht nur uns selbst – zum Denken anregen, eventuell polarisieren, auf jeden Fall unterhalten und informieren.
Es geht nicht darum, ein Thema tiefsinnig zu ergründen und aalglatt zu präsentieren, sondern leichtfüßig und mit Mut zur Lücke.
Es geht darum, die Personen, deren Meinungen und Ideen spontan und authentisch darzustellen.
Thema diesmal:
»WIE GEHEN ORGANISATIONEN MIT FEHLERN UM«
Das 5-Minuten-Video zum GfP Small Talk finden Sie auf unserer Facebook-Site.
Aus der spontanten Idee, die Diskussion auf Video festzuhalten, entstand dieser Prototyp, wenn Sie so wollen, die »Nullnummer« unseres GfP Small Talks. In Bezug auf Ton und Schnitt sind wir noch nicht da, wo wir qualitativ hin wollen, aber der Inhalt macht das hoffentlich wett. Wir wünschen gute Unterhaltung!
Teilnehmer: Florian Stieger, Clemens Stieger, Bernhard Hoetzl, Eduard Hacker, Ulli Brezovich, Alexander Schön
FLORIAN STIEGER: Es gibt so viele Motivations-Poster, die sagen: »Es ist super, Fehler zu machen. Trau dich Fehler zu machen.« Ich finde das eigentlich paradox. Weil wenn ich mir von vornherein schon einräume, dass ich Fehler machen darf, werde ich das auch tun. Und eigentlich sollte es doch die Prämisse sein: »Nein, ich mache keine Fehler. Ich mache mir keine Hintertüre auf – sondern ich versuche hundertprozentig das Maximale, das Beste aus dem zu machen, was ich vorhabe.«
BERNHARD HOETZL: Ich würde dein Statement etwas aufweichen. Der Grundsatz aus der Start Up-Welt »Fail fast, learn faster« impliziert die Erlaubnis von Fehlern. Ich halte nichts von einer Kultur, die Angst produziert, dass kein Fehler gemacht werden darf. Weil diese Angst erzeugt dann wieder Fehler. Ich denke, ein zwei Fehler machen ist in Ordnung, sollte aber dann irgendwo wieder ins Wissensmanagement der Firma zurückfließen, um aus den Fehler auch zu lernen.
CLEMENS STIEGER: Die Ursache der Begriffsverwirrung liegt darin, dass wir das englische Wort »failure« mit »Fehler« übersetzen – was aber ein Übersetzungsfehler ist. »Fail early« bedeutet im übertragenen Sinn, dass man – nach einem gescheiterten Versuch – weiß, wie es richtig geht. Dann gibt es wenig Toleranz. Im Sinne der Professionalisierung muss ein »Fehler vermeiden«-Anspruch da sein.
ULLI BREZOVICH: Aus meiner Beratungspraxis weiß ich: Projekte sind dann wirtschaftlich und inhaltlich besonders interessant, wenn sie ein hohes Risiko haben, wenn’s nicht jeder machen kann. Das heißt auch, dass es wahrscheinlicher ist, dass Fehler passieren und das Scheitern auch vorkommen kann. Das Wichtigste dabei ist, dass man ein gutes Risikomanagement und Fehlermanagement hat. Was tut man, wenn Fehler passieren, wie geht man damit um? Weil, dass sie passieren, kann man nicht vermeiden.
ALEXANDER SCHÖN: »Fehler« – das Wort selbst ist schon der Anfang vom Ende, weil es einfach was Falsches bezeichnet. Edison soll ja gesagt haben, er habe keine Fehler begangen, sondern nur die Varianten, die nicht funktionieren, eliminiert – und übrig geblieben ist dann der Erfolg. Wenn ich an die Beratungspraxis denke, dann nehme ich wahr, dass Fehler immer von der Organisationskultur abhängig sind. Und dass in hierarchischen Organisationen ein zentrales Element beim Thema »Fehler« die Angst ist: Davor, in der Organisation seinen Platz zu verlieren.
Nach den Eingangs-Statements folgte die Gruppendiskussion.
BERNHARD HOETZL: Es gibt einen Unterschied zwischen einem Fehler, der passiert, der sichtlich falsch ist und das andere ist ein klassischer Prozess, wo nicht das gewünschte Ergebnis heraus kommt oder rauskommen kann. Letzteres ist absolut notwendig für jedes Unternehmen, das innovativ sein möchte - da gehört es einfach dazu, da ist das Wort »Fehler« einfach das falsche Wort, die falsche Übersetzung des englischen »failure«-Begriffs.
ULLI BREZOVICH: Es scheitert oft in der Praxis, weil Projektmanager nicht über Fehler sprechen wollen. Denn es kann ein Karriererisiko sein, wenn man zu viel darüber spricht, was nicht klappt. Das sind diese Dinge, warum es in der Praxis ganz oft nicht funktioniert mit Fehlermanagement und Risikomanagement.
EDUARD HACKER: Ich bin in meinem Berufsleben sehr schnell drauf gekommen, dass es eine Frage von Unternehmenskultur und von Führungskultur ist, wie man mit Fehlern umgeht. Es muss und darf nicht sein, dass es Karriere gefährdend ist, wenn man einen Fehler eingesteht – und ich habe das am eigenen Leib zu spüren bekommen: Ich habe einmal einen riesen Fehler gemacht, und weil mein unmittelbarer Chef nicht da war, bin ich gleich zu dessen Chef gegangen und habe ihn das brühwarm erzählt. Weil das war Unternehmenskultur: Je früher Fehler bekannt werden, desto schneller kann man die Abweichung korrigieren. Und ich hätte für mein Verhalten fast einen Award bekommen …
CLEMENS STIEGER: Fehler nicht zuzugeben ist sicherlich ein Phänomen, das den Unternehmen viel Energie raubt: Vertuschen, hoffen dass es nicht auffällt, irgendwie weiter schieben, umbenennen. Ich staune aber schon manchmal, wie leichtfertig mit Fehlern umgegangen wird: »Das kann doch passieren« etc. Wo ist da eine Form der Verantwortlichkeit, der Anspruch, dass etwas korrekt und professionell ist?
FLORIAN STIEGER: Ich finde hier die »Retrospektive« aus dem SCRUM-Modell die große Herausforderung. Nämlich in kleinen, iterativen Schritten zu schauen: Was hat funktioniert? Warum hat etwas nicht funktioniert und was lernen wir daraus gleich für den nächsten Schritt? Das sehe ich schon, dass es wenige Organisationen gibt, wo es die bedingungslose Ehrlichkeit gibt in der Auswertung.
ALEXANDER SCHÖN: Ich denke, es gibt zwei zentrale Organisationskrankheiten. Das eine ist die Beliebigkeit, und das zweite ist die Konsequenzlosigkeit. Wenn ich mir da vor Augen halten, was in großen Organisationen im großen Stil passiert – Stichwort »Abgasaffäre / Diesel / VW« –, wenn mir das als kleinem Berater in Organisationen passiert, dann bin ich weg! Weil ich für meine Konsequenzen einstehen muss. Und warum ist dieses Einstehen in den Organisationen so schwer?
CLEMENS STIEGER: Ich weiß warum: Der Reflex bei Organisationen liegt immer noch bei der Frage nach der Schuld. Das muss den Personen zugeordnet werden - und dann ist der Fall auch erledigt, dann kann man weiter machen wie bisher. Und sobald es einen »Schuldigen« gibt, tritt Entspannung ein – das ist das Skurrile. Wie gibt’s das, dass Organisationen keine Handlungen daraus setzen?
FLORIAN STIEGER: Ein System ist immer komplex. Und damit hat man immer sehr viele Ausreden, warum es nicht funktioniert… und viele Möglichkeiten, sich hinter der Komplexität zu verstecken.
ALEXANDER SCHÖN: In welchem Stadium oder durch welches Umfeld haben wir gelernt, auf das WIR zu schauen?! Wir sind nicht so sozialisiert worden. Gerade unser gesamtes Ausbildung- und Schulsystem ist immer auf das Individuum fokussiert, aber nie auf eine gemeinsame Leistung.
BERNHARD HOETZL: »Bedingungslose Ehrlichkeit«, der Begriff gefällt mir hier sehr gut. Das ist eine große Herausforderung. Fehler werden immer gemacht werden, passieren einfach. Aber bei einer schlechten Fehlerkultur werden Fehler vertuscht, sie werden nicht reflektiert und transparent gemacht und die Organisation entwickelt sich nicht weiter.
ALEXANDER SCHÖN: Die Frage ist auch: Wer bestimmt, was der richtige Weg gewesen ist?! Und wie mächtig sind diese Menschen, die das bestimmen und dann feststellen können: Das war aber jetzt ein Fehler. Das ist meines Erachtens zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststellbar, dass das ein Fehler ist.
BERNHARD HOETZL: Letztes Jahr ist jener russische Offizier verstorben, der in den 70er-Jahren die Welt zweimal vor einem Atomkrieg bewahrt hat, weil er einen »Fehler« gemacht hat – indem er dem Protokoll nicht gehorcht hat. Er hätte nach Protokoll auf den Knopf drücken müssen – und er hat bewusst nicht gehorcht und einen Fehler begangen. Woher wissen wir, was der richtige Weg ist?!
Redaktion & Video-Produktion: Thomas Weidinger
Tags: Risiko