Recruiting 7.0 oder 8.0 oder…

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 #Beratungssplitter Nr. 56

Von Alexander Schön

Kaum ein Tag, an dem ich nicht drei bis vier Mails bekomme mit Einladung zur Teilnahme an Webinaren, Workshops oder Seminaren zur Steigerung der Effizienz von Recruiting-Maßnahmen. Denn die Personalsuche sei das zentrale Personalthema nahezu jedes Unternehmens, lese ich da.

Stimmt schon. Erst jüngst hörte ich wieder ein Lamento seitens zweier Führungskräfte in der Pause einer Veranstaltung, dass HR-Leute ihren Job nicht machen, dass die Kandidaten, die sie »da daherbringen« erstens viel zu wenig und zweitens völlig »unbrauchbar« sind. Und überhaupt die Jugend und Arbeit, keine Leistungsbereitschaft – aber Forderungen stellen …
Insgeheim fragte ich mich, welche Kultur wohl in diesem Unternehmen herrscht, wenn solche Bilder das Denken und Handeln bestimmen.
sergey ivanov sOM0uP6uPzc unsplash copy 2Lassen wir einmal den Arbeitsmarkt, die verfehlte Bildungspolitik, den Fachkräftemangel, die Demografie etc. beiseite. Irgendwie ist es doch verblüffend, dass viele Unternehmen händeringend nach Mitarbeiter:innen suchen und gleichzeitig aber noch so tun, als fände Recruiting auf einem Arbeitgeber- und nicht auf einem Arbeitnehmermarkt statt. (An dieser Stelle sei noch einmal auf den Beratungssplitter Nr. 47 hingewiesen, in dem mein Kollege Reinhard Bacher so entwaffnend hinterfragt, wer denn da eigentlich die Arbeit gibt und wer sie nimmt …).

Es reicht einfach nicht, sich ein bisschen mit Employer Branding auseinanderzusetzen. Es reicht auch nicht, sich vertieft damit zu beschäftigen. Das Konzept des Employer Branding ist gut 25 Jahre alt und stammt somit aus einer Zeit, als Organisationen völlig anders tickten, das Web noch keine Endungen wie 2.0 oder 3.0 brauchte oder Social Media noch unvorstellbar war. Und es kommt aus dem Marketing, insbesondere aus der Markenbildung. Die Idee dahinter ist, analog zu Produkten, mittels der erhofften Marketingwirkung die Effizienz der Personalrekrutierung als auch die Qualität der Bewerber:innen dauerhaft zu steigern. Quasi als Nebeneffekt würde sich eine gute Arbeitsgebermarke auch positiv auf die Identifikation der Mitarbeiter:innen und deren Bindung an das Unternehmen auswirken.

Doch Außendarstellung und organisationale Wirklichkeit klaffen da oft stark auseinander. So qualitativ hochwertig die Farbe auch sein mag, die ich auftragen möchte – ohne Grundierung wird sie nicht auf jedem Untergrund halten. Denn viel wichtiger als die Produkte und Dienstleistungen sind die Menschen, die diese erst ermöglichen. Und die merken ziemlich schnell, ob die Employer Branding Kampagnen nur ein marketingmäßiger Aufputz sind oder ob auch eine Kultur dahintersteht, die das Beworbene auch sicherstellt.

Wie beispielsweise bei SuccessFactors, einem der am schnellsten wachsenden Softwareunternehmen der Welt. Lars Dalgaard steht als CEO und Mitbegründer von SuccessFactors für eine konsequente »No jerks, please.«-Haltung. Eines der Gründungsprinzipien von ihm lautet: »Unsere Organisation wird nur aus Menschen bestehen, die das, was wir tun, absolut lieben, mit einer glühenden Leidenschaft. Wir werden den Einzelnen in einem kollaborativen, egalitären und leistungsorientierten Umfeld in höchstem Maße respektieren – kein bcc in den Mails, keine Politik, keine Engstirnigkeit, keine Silos, keine Spielchen – einfach nur gut sein!«

Es ist einfach auch wirtschaftlich klug, zusätzlich zu all den ohnehin stattfindenden Recruiting-Aktivitäten (social media sourcing tools, candidate journey, talent activation, talent attraction canvas – beeindruckend, was derzeit gerade läuft) in Kulturarbeit zu investieren. Oder um es mit Bernd Schmid vom ISB zu sagen: „Wer schnell zur Sache will, sollte mit Kultur beginnen.“

 

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