D(i)e-Eskalation. Vom Umgang mit Konflikten

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Sollen wir, oder sollen wir nicht: Den Krieg in der Ukraine thematisieren? Letztendlich ist es keine Frage. Wir müssen. Denn die Bilder und Berichte sind immer präsent, privat wie im Berufsalltag.

Von Florian M. Stieger

GfP NL 22 05 04 Ukraine 300x200 72dpiWelchen Platz nimmt der Krieg in unserem Arbeitsalltag ein? Vielleicht sind Sie und Ihre Organisation kommerziell direkt betroffen. Indirekt sind wir es wohl alle – das merken wir beim privaten Austausch, beim „Flurfunk: Gefühle der Betroffenheit und Ohnmacht überall. Dafür gibt es in unseren Unternehmen wenig Rituale oder Kultur. Aber genau das ist unsere Empfehlung: Räumen Sie dem Thema Platz ein, denn es ist Belastender als gedacht für viele Mitarbeiter*innen in den Organisationen. Zur Lethargie und der Unsicherheit nach den vielen Veränderungen der letzten zwei Pandemiejahre kommt noch die Sorge und konkrete Angst dazu. Das trifft uns alle und hat langfristige Folgen, die uns noch lange herausfordern werden. Das ist kein Sprint, sondern ein Marathon.

Passend zum Thema »Ukraine« möchte ich Ihnen zwei Geschichten unserer GfP-Berater ans Herz legen, die sich aus unterschiedlichen Richtungen dem Thema nähern. Die jeweiligen Beiträge wurden bereits als #Beratungssplitter auf unserer Website veröffentlicht und sind hier kurz angeteasert. Am Ende der Beiträge finden Sie die Links für eine komplette Nachlese.

Alles (nicht) nur geträumt

Exzerpiert aus dem #Beratungssplitter Nr. 59 von Eduard Hacker

Wir sitzen beisammen und unterhalten uns über die aktuelle weltpolitische Situation, geprägt vom Krieg in der Ukraine. Ich bin enttäuscht, hatte ich doch nach dem Studium der einschlägigen Literatur (inkl. »Negotiating the Impossible« von Deepak Malhotra) und vielen erfolgreichen Verhandlungen gedacht, ich könnte jedes Thema mit jedem Menschen verhandeln. Doch im Laufe des Gesprächs wird mir immer klarer, dass ich – fälschlicherweise – davon ausgegangen bin, die Verhandlungspartner*innen »zur Vernunft bringen« zu können, ein Minimum an gemeinsamem Interesse identifizieren zu können und mich darauf verlassen zu können, dass Vereinbarungen eingehalten werden.

Meine beiden Gesprächspartner – ein ehemaliger Ausbildungsverantwortlicher aus dem Innenministerium und ein ehemaliger Leiter der Staatspolizei, der persönlich in viele Verhandlungen, auch mit Terroristen, involviert war – öffnen mir die Augen, sagen, dass ich mir das alles »abschminken« kann, sobald ich es mit kaltblütigen, egozentrischen, ängstlichen Lügnern zu tun bekomme, die ihre eigenen Lügen glauben, die null Anstand haben, von Empathie ganz zu schweigen. Ich plage mich damit, beim »Verstehenwollen« solcher Menschen, vor allem, wenn sie Machtpositionen bekleiden, die eigenen Werte und die eigenen Erfahrungen völlig auszublenden; meine beiden Gesprächspartner sagen allerdings, das sei eine »conditio sine qua non«. Und sie sagen mir auch, dass selbst die erfahrensten Profiler manchmal scheitern, weil sie sich nicht in jede Gedankenwelt hineinversetzen können.

Verzweifelt bitte ich sie, mir doch einen Ausweg aufzuzeigen, falls ich in einer Verhandlung einem kaltblütigen, egozentrischen, ängstlichen, eitlen, möglicherweise kranken Menschen begegne. – Da erlöst mich der Wecker – ich habe nur geträumt! Aber im Laufe des Tages telefoniere ich mit beiden, und was dabei rauskam, können Sie hier nachlesen.

Modellhafte Konfliktdynamik

Exzerpiert aus dem #Beratungssplitter Nr. 60 von Alexander Schön

Ich habe im Rahmen meiner Ausbildungen das »Phasenmodell der Eskalation« des österreichischen Organisationsberaters und Konfliktforschers Friedrich Glasl aus dem Jahr 1980 kennengelernt und verwende es auch in Mediationssettings sowie in Seminaren und Workshops rund um das Thema »Konfliktmanagement«. Was ich bislang eher von der theoretischen Seite gesehen habe, zeigt sich nun, im Angesicht des Ukraine-Kriegs, als sehr konkretes Modell.
Anhand der konkreten Handlungen, die bis jetzt von und zwischen involvierten Parteien gesetzt wurden, zeigt sich die Mächtigkeit des Modells – wie wenn es auf Basis dieser Ereignisse eigens entwickelt worden wäre:

»Dementierbares Strafverhalten« (Stufe 4) oder »Forderung – Sanktion – Sanktionspotenzial« (Stufe 6) hören sich verstandesmäßig nachvollziehbar an, aber es macht einen Unterschied, wenn die Drohgebärden einen potenziellen Atomwaffeneinsatz zum Inhalt haben – und vor allem wenn man mittelbar betroffen ist. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie die konkreten Handlungen ausschauen, wenn man diese Konfliktdynamik gemäß Modell weiterdenkt. Wenn niemand diese Spirale durchbricht, ist vorhersehbar, was passieren wird.

Doch was bedeutet das für unseren Arbeitsalltag in unseren Organisationen und für eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Unternehmensstrategie? Es geht immer um die Zusammenarbeit zwischen Menschen – und den Umgang mit Konflikten. Wir werden aber nicht umhinkommen, uns jetzt schon mit Fragestellungen auseinanderzusetzen, wie etwa:

• Wie gehen wir mit anderen um, mit anderen Meinungen (so obskur sie auch scheinen mögen), mit (scheinbaren) Minderheiten oder (scheinbaren) Mehrheiten?
• Wie halten wir es generell mit Vielfalt, mit Vielstimmigkeit, mit Ambiguität und Diversität?
• Sind wir genügend achtsam für die Kooperationsdynamiken und deren Folgen?
• Was tun wir diesbezüglich präventiv, was kurativ?
• Wie fit sind wir im Umgang mit Konflikten?
• Gibt es institutionalisierte Prozesse, in denen wir uns diesen Themen (professionell) widmen?

Den kompletten Beitrag, inklusive dem Konfliktumgangs-Konzept »Clean the Air«, können Sie hier nachlesen.

 

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Tags: Kommunikation