Zukunftsforschung & Megatrends. Unser Mega-Learning daraus!

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#Beratungssplitter Nr. 62
Von Clemens Stieger

Was macht eigentlich die Zukunftsforschung? Ist das lediglich ein hipper Begriff oder steckt wirklich Wissenschaft dahinter? Was hat es mit den Megatrends auf sich, die gerade in aller Munde sind? Was nützt es uns und unserem Unternehmen?

Wir von der GfP woll(t)en es genauer wissen, und haben uns im Zuge einer „Lernstrecke“ mit diesem Thema, mit diesen Fragen beschäftigt. Vorab noch eine kurze Info, was es mit „Lernstrecke“ auf sich hat. Das ist zwar kein Megatrend, aber für uns ein mega-interessanter Zugang, wie wir uns im Kolleg*innen-Kreis interessanten, angesagten Themen effektiv zuwenden und daraus etwas lernen.

Exkurs: Vom Wesen & Wert einer „Lernstrecke“

christopher burns dzejyfCAzIA unsplashIm Zuge einer „Lernstrecke“ beschäftigen wir uns im GfP-Team drei Monate lang mit einem Thema, um darin gemeinsam Lernforschritte zu machen. Das machen wir bereits seit 2018 in verschiedenen Varianten zu spannenden Fragen der Zeit.

Damit Sie sich ein Bild davon machen können, wie sich so eine Lernstrecke auf die Beteiligten auswirkt, haben wir allen sieben Teilnehmer*innen folgende Fragen gestellt – und wählen hier pro Frage die zwei aufschlussreichsten und/oder originellsten Antworten.

Mit welcher Sportart würdest du deine persönliche Lernstrecke über die »Megatrends« vergleichen – und warum?

Ich vergleiche es eher mit meinen regelmäßigen Übungen, die ich machen soll (muss), um körperlich zukunftsfit zu sein. Warum? Weil ich weiß, dass es unvernünftig wäre, es nicht zu tun.

Eishockey – ich habe nie gewusst, wo der Puck ist …

Was hat dich im Zuge dieser Lernstrecke „hinterm Ofen hervorgeholt“?

Sehr viel Bestätigung, aber super „unterfuttert“ (sorry, aber mein Vater war Schneider). Spannend waren v.a. die Themen bzgl. Transition und organisationaler Resilienz.

Es ist schon viel »Zukunft« da, und ich merke es nicht im möglichen Ausmaß – z.B. die durchlässige Demokratie, die Kybernetik des Regierens.

Was genau war dein wichtigstes, persönliches Learning? 

Future matters.

Die Notwendigkeit, an den Regeln der Geschlechterrollen zu arbeiten.

Was hat dich an den Learnings der anderen bei eurem Austausch beeindruckt? 

Transition – denn da habe ich vorerst eher rasch weggeklickt und nach der Diskussion für mich entdeckt.

Wenn du dich auf eine Lernreise begibst, eröffnest du dir üblicherweise ein mehrdimensionales Lernfeld – und durch das gemeinsame Lernen vergrößert sich dieses Feld exponentiell und eröffnet dir damit Dimensionen, an die du selber gar nicht gedacht hättest. Und manchmal sind das Gedanken, die gar nicht aus anderen Galaxien sind, sondern einfach neben dir liegen …

PS: Einen kurzen Bericht über diese Art des Lernens können Sie übringens im Beratungssplitter #32 nachlesen. Neugierig geworden? Dann wird Sie auch interessieren, wie uns die aktuellen #meinziel2022 Initiativen der Corporate Learning Community zusätzlichen Rückenwind geben, uns damit zu beschäftigen. Doch zurück zu den Megatrends…

Vom Sinn, sich mit der Zukunft zu beschäftigen

Zukunft ist für uns Menschen ein wichtiges Thema. Wir würden gerne wissen, was auf uns zukommt. Gleichzeitig ist es aber dem Wesen der Zukunft immanent, dass ihre Vorherschau nicht geht. „Prognosen sind schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen“, wird gerne Karl Valentin in den Mund gelegt, nachzulesen in unserem Beratungssplitter #52 zum Thema „Vorhersehbarkeit der Zukunft“.

Aktuell spüren wir deutlich, wie sich Rahmenbedingungen ändern, die wir für unverrückbar gehalten haben. Kontexte verschieben sich. Nix ist fix. Das merken wir als Individuum, aber auch in Unternehmen. Zukunftsforschung macht nichts anderes, als sich diesen Veränderungen zu stellen und diese bestmöglich vorherzusagen und beschreibbar zu machen. Sie setzt sich systematisch mit möglichen zukünftigen Entwicklungen auseinander.
Im Unterschied zur Marktforschung, die die Vergangenheit statistisch abbildet und die Trendforschung, die auf die Gegenwart blickt, will die Zukunftsforschung eine „mögliche Zukunft“ und vielleicht eine „wahrscheinliche Zukunft“ skizzieren. Grundlage sind Beobachtungen, Simulationen, Analogien aus der Vergangenheit, etc. aber auch statistische Methoden und Hochrechnungen.

Das Zukunftsinstitut in Frankfurt ist eine dieser Einrichtungen, die hier Pionierarbeit leisten. Jährlich wird in Zusammenarbeit mit Forschenden unter Anwendung entsprechender Methoden ein Zukunftsreport herausgegeben, der jeweils Voraussagen für die kommenden Jahre bringen soll.
Das Arbeiten mit Methoden ist uns aus der Beratungspraxis bekannt. So erinnert uns die Methode der „Regnose“, bei der man aus einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft zurück auf die bis dahin vergangenen Jahre schaut, sehr an unseren Ansatz „Beam to the future“, wie wir im Beratungssplitter #53 darlegten. Das Erstaunliche dabei ist, dass mit einer derartigen Veränderung der Perspektive die Gegenwart verändert wirkt: man sieht das Neue bereits aufkeimen.

Learnings aus unserer Lernreise

In unserer gemeinsamen, dreimonatigen Auseinandersetzung mit dem Thema „Zukunftsforschung & Megatrends“ fanden wir folgende drei Aspekte besonders interessant und anregend:

  • Es hängt alles mit allem zusammen
    Es macht wenig Sinn, einzelne Trends oder Themen isoliert zu betrachten. Das Leben ist komplex, unterschiedliche Faktoren sind miteinander verknüpft. Sie bedingen einander und beeinflussen sich gegenseitig. Wenn jedoch die Aufmerksamkeit auf diese Überlappungen gelegt wird, eröffnen sich neue Einsichten.
    Ein geniales Instrument ist hier beispielsweise die Megatrend Map: Wie auf einem U-Bahn-Plan werden die einzelnen Megatrends als Linien dargestellt, die sich an verschiedenen Stellen kreuzen. Man fährt mit dem Finger oder in Gedanken eine bestimmte Megatrend-Linie ab und das Zusammentreffen mit den Linien anderer Trends markiert mögliche Auswirkungen, zeigt denkbare Konsequenzen auf und löst in uns auf jeden Fall neue Gedanken aus.
  • Kein Trend ohne inneren Widerspruch
    Schaut man einzelne Trends oder Veränderungen genauer an, erkennt man, dass diese nicht eindimensional sind und nicht nur in eine Richtung zeigen. In jedem Trend, in jeder Modewelle, gibt es immer auch einen Gegentrend, der ebenso wirksam ist. So ist zum Beispiel die „Globalisierung“ ein spürbarer und dominanter Trend – es gibt aber auch die (Gegen-) Bewegung zu Regionalität, „Small is beautiful“ etc. Sich diesen Widerspruch deutlich zu machen, ermöglicht ein tieferes Verständnis der Zusammenhänge. Die Themen öffnen Räume und zeigen, welche Leitdifferenzen im Vordergrund stehen.
  • Die enorme Bedeutung der Übergänge
    Was werden die großen nächsten Veränderungen und Transformationen? Diese Frage beschäftigt uns (alle) wohl am meisten – und gerade im Rückblick verdeutlichen sich die Paradigmenwechsel. Das was vorher nicht denkbar war, ist plötzlich allgegenwärtig. Aber es gibt dann auch noch ein „Dazwischen“ – jene Schritte, Abfolgen oder Ereignisse, die das Neue möglich mach(t)en. Das ist in unseren Augen vielleicht das Spannendste: Was ist bzw. war es, das den Übergang von einem in das andere ermöglichte? Was ist bzw. war der „Katalysator“, der notwendige Trigger für die Veränderungen?

Die „Transition“-Frage und den Blick auf den Modus des Übergangs ist interessanter als den Fokus auf den finalen Zustand der Transformation! Denn es sind die Hebel von Gestaltung und Wirksamkeit, die Übergänge fördern und stimulieren.

Wie Zukunftsforschung Ihrem Unternehmen nützt

Aus einer pragmatischen und operativen Sicht lässt sich einwenden, dass alles zu weit hergeholt ist, zu utopisch für die eigene Unternehmensrealität. Schließlich sind viele Zukunftsaussagen nicht so (schnell) eingetreten, wie vorausgesagt. Die gelebte Praxis nach der COVID-Pandemie ist auch eher „back to normal“ als von einem prognostizierten Paradigmenwandel getragen.
Aber Achtung!
Wandel tritt manchmal recht abrupt auf, wie so manche Disruption gezeigt hat. Nur weil etwas nicht gleich sichtbar ist, kann es dennoch rasch wirksam werden. Als Unternehmen gilt es, sicher zu stellen, dass wir mit „Blick durch die Windschutzscheibe unterwegs sind, nicht mit „Blick in den Rückspiegel“ – siehe auch #Beratungssplitter Nr. 52. Denn vieles braucht seine Zeit und ist nicht gleich „morgen“ verfügbar (Stichwort „Futureskills“).

Wichtig bei der Auseinandersetzung mit Zukunft: Es geht darum, die „schwachen Signale“, die kleinen, oft schleichenden Veränderung wahr und ernst zu nehmen. Was für Unternehmen gilt, gilt insbesondere für Führungskräfte. Zukunftsforschung lenkt die Wahrnehmung, lädt zum Nachdenken und Beobachten ein. Wie lautet der weise Spruch des kanadischen Eishockeyspielers Wayne Gretzky: „Gehe nicht dahin, wo der Puck ist. Gehe dahin, wo der Puck sein wird“. Good luck!

 

 

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